Freiheit für Tante Rosa!
+++ Triggerwarnung: Blut, Schleim und andere unästhetische Körpersäfte! +++
Grob geschätzt die Hälfte von Euch kennen das: Manchmal zieht es ein paar Tage davor schon im Unterleib, manchmal sinkt die Stimmung während der Heißhunger und/oder die Libido abnormal ansteigt, manchmal tuts richtig weh, manchmal ist es ein Überraschungsbesuch. Auch an Emotionen ist alles dabei: Manchmal warten wir verzweifelt-gebannt auf sie, wenn ihr Erscheinen schon überfällig ist. Andere Male wünschen wir uns sehnlichst, sie lange nicht mehr beherbergen zu müssen, mindestens ein Jahr vielleicht…? Doch in den wohl allermeisten Fällen vernehmen wir die Kunde ihrer Ankunft mit mäßiger Begeisterung und empfangen den Besuch gedanklich mit den Worten: “Ach je, Du schon wieder?”
Denn wenn Tante Rosa da ist, stellt sie uns vor dieselbe, nervige, immer wiederkehrende Herausforderung: Das, was unser Körper nicht mehr braucht, will aufgefangen werden. Bloss wie? Es soll sich gut anfühlen, es soll hygienisch sein, praktikabel natürlich, unauffällig - und wenn es geht vielleicht sogar noch ökologisch? Auf Reisen dann noch ein paar mehr potenziell ungünstige Umstände: Wer auf ein bestimmtes Produkt festgelegt ist, wird nicht überall fündig. Zum Beispiel Tampons: In Thailand, Kambodscha, Vietnam (und bestimmt noch sehr vielen anderen Ländern) sind sie viel teurer als in Deutschland aber wenigstens GIBT es sie. Im muslimischen Malaysia dagegen kauft man/frau die (möglicherweise unanständigen?) Alltagshelfer höchstens in der Apotheke, in arabischen Ländern teilweise gar nicht (um herauszufinden, ob es vielleicht einen Schwarzmarkt dafür gibt, war ich leider nie lange genug vor Ort :))
Ein Schwarzmarkt für Tampons?
Und was bei der Be-sorgung anfängt, hört auch bei der Ent-sorgung nicht auf: Eine Toilette mit Mülleimer daneben gibt es zuverlässig höchstens im eigenen Wohnmobil. Auf Radreisen dagegen, sagen wir zum Beispiel: in der endlosen kasachischen Steppe unterwegs, tagelang keine Dörfer, keine Zeichen von Zivilisation außer Reifenspuren und hin und wieder mal ein Fahrzeug. Da kann eine intakte Plastiktüte schonmal zum wertvollen Gut werden, um irgendeine (potenzielle) Sauerei zu verhindern. Um allerdings besudelte Hygieneartikel - sponsored by Tante Rosa - korrekt zu entsorgen, geht es nicht ohne selbige, wertvolle, bitte für diesen Zweck auch unbedingt noch blickdichte … Plastiktüte! Suboptimal, oder?
Das Prinzip von Menstruationstassen finde ich noch recht sinnvoll… aber dann doch wieder ein Fremdkörper in mir? Das mag ich schon bei Tampons nicht so gern.
Ihr merkt bestimmt schon, worauf ich hinaus will: Es ist einfach alles nicht so das Wahre. Rückblickend wundere ich mich fast, wie lange ich lauter unangenehme Kompromisse in Kauf genommen habe, obwohl die Lösung so einfach ist. Und das Beste: Sie liegt in uns selbst!
Vive la Menstruation!
Die gängige Bezeichnung der Methode ist “Freie Menstruation”. Mich erinnert das leider immer an eine alberne Episode aus meiner Teeniezeit, als wir übermütig durch die Straßen liefen und immer wieder unsere selbst erdachte Mutprobe absolvieren: So laut wir uns trauten, schrien wir: “Vive la Menstruation!” und brachen anschließend schier zusammen vor lauter Lachen. Irgendwie lustig, auch irgendwie Revolution - aber eben nur irgendwie. Dabei ist das Thema absolut revolutions-tauglich, doch das klappt sicherlich nur mit dem richtigen Motto. Mein Vorschlag:
Befreit Tante Rosa!
Ok, nun sollte ich langsam zum Punkt kommen, ich weiß schon. Ja, auch ich habe gewisse Hemmungen, “frei heraus” über ein Ex-Tabuthema zu schreiben. Dabei kann ich ja wirklich froh sein, dass wir in einer Zeit leben, wo es einigermaßen akzeptabel ist, sich öffentlich über die Monatsblutung zu äußern - nicht laut und nicht überall, aber immerhin. Meine liebe Großmutter dachte als junges Mädchen noch, dass sie nun sterben müsse, weil da plötzlich so viel Blut war. Keiner hatte sie aufgeklärt, was passieren würde, wenn sie in die Pubertät kommt! Meine Mutter hat mich zum Glück besser darauf vorbereitet, allerdings mit einer Halbwahrheit: “Da kommt Blut und das kannst Du nicht zurückhalten. Deswegen brauchst Du Binden”.
So, Mädels (und Männer im Frauenkörper), jetzt kommts: Das Blut können wir sehr wohl zurückhalten, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad! Und wie das geht, ist mit einem Wort erklärt, das auch nicht-Bayern verstehen dürften: ZAMZWICKEN! Das ist meine Devise. Wir spüren doch, wenn sich da wieder so ein Schluck Blut auf den Weg nach unten macht - oder? Früher habe ich diese Empfindung mit kurzen Überlegungen quittiert, wie voll meine Binde wohl schon ist - beziehungsweise: “Oh Mist, mein Tampon geht über.” Mittlerweile reagiere ich mit fes-tem Zamzwicken. Und dann bitte möglichst schnell eine Toilette! Rauf, entspannen, und dann … auf Wunsch an dem Anblick erfreuen, was ich da gerade alles zurückhalten konnte - und was jetzt ganz direkt ohne lästige Zwischenlagerung ins Klo läuft. Glaubt mir, das macht richtig Laune!
Hingucken erlaubt: Was kommt da aus uns raus?
Zugegeben: Wenn die Blutung stark ist, dann renne ich relativ häufig, phasenweise mehrfach pro Stunde. Und wenn wir schon bei den Nachteilen sind: Ganz dicht geht’s nicht. Tante Rosa kleckert, das kann sie sich schwer abgewöhnen. ABER: Der Unterschied ist enorm. Ich persönlich brauchte schon nach wenigen Übungs-zyklen nur noch etwa 10-20% der Hygieneartikel. Pro Tag reicht eine dünne Slipeinlage - früher waren es an starken Tagen locker vier bis sechs dicke Binden! Den vermeidbaren Müllberg, den ich da über die Jahre produziert habe, will ich mir gar nicht vorstellen. Für die kleine Kleckerei bin ich mittlerweile übrigens auf waschbare Stoff-Einlagen umgestiegen.
Meine ein-Wort-Beschreibung (zamzwicken!) der Methode lässt bei Euch sicher viele Fragen offen, zumal es ja von Frau zu Frau (zu divers, zu trans, Ihr wisst schon) alles recht unterschiedlich ist. Zum genaueren Nachlesen guckt mal hier: https://www.cyclotest.de/freie-menstruation/ - oder googelt einfach selbst. Neben den offensichtlichen Vorteilen gibt es noch viele weitere, z.B. weniger Regelschmerzen.
Blut kleckern meets Blasenschwäche?
Noch eins zum Schluss: Wer nicht will, der/die lasse es bitte einfach sein. Jede(r) soll mit seinem/ihrem Regelblut tun und lassen, was er/sie möchte. Ich selbst bin eher durch Zufall auf den “Trick” gekommen, als ich zu Beginn der Regel an einem Samstag Nachmittag nur noch 2 Binden übrig und keine Lust zum Einkaufen hatte. Es galt also, mindestens 2 Tage zu überbrücken, somit habe ich quasi aus Bequemlichkeit zamgezwickt, mich gewundert, wie gut das geht - und danach erst gelesen, dass das eigentlich DER Weg ist. Für mich absolut eine Revolution, die die Frage aufwirft, wann und warum wir eigentlich verlernt haben, unser Blut einzuhalten? Mein (unbestätigter, da schwer zu recherchierender) Verdacht fällt auf die Industrialisierung, bei der es - ähnlich wie heutzutage bei quasi versklavten Näherinnen z.B. in Bangladesch - unerwünscht war, dass Frauen die wertvolle Arbeitszeit unterbrechen, um auf öfter auf die Toilette zu gehen. Und dann kommen schicke Binden daher und ersparen uns dieses lästige Übel. Ähnlich wie bei Blasenschwäche; hier das Zitat einer Frauenärztin: “Seitdem es so viel Werbung für Einlagen bei Blasenschwäche gibt, empfinden viele meiner Patientinnen es nicht mehr als störend, wenn sie ihren Urin nicht mehr so gut halten können”.
Merkt Ihr was?
Also, Ihr Menstruierenden da draußen, Lust auf die Befreiung? Es würde mich mega freuen, wenn ich auch nur eine(n) von Euch dazu motivieren könnte. Hey, Ihr habt nix zu verlieren - außer Blut und Schleim! ;)) Ich wünsche viel Erfolg!